„Graben wir uns das Wasser im Wald ab?“

Am 5. und 6. Mai trafen sich im Soonwald hochkarätige Wissenschaftler und Experten zur Fachveranstaltung „Graben wir uns das Wasser im Wald ab?“

Einig waren sich dabei alle Beteiligten, dass die Klimakrise-Folgen in Rheinland-Pfalz angekommen und dramatisch sind: seit 1861 nahm die Temperatur bereits um 1,6°C zu. Und die  fünf wärmsten Jahr wurden alle seit 2014 gemessen. Leider liegt unser Bundesland in Bezug auf die Flächenversiegelung mit über einem Hektar pro Tag über dem Bundesdurchschnitt.
All diese Faktoren haben einen massiven Einfluss auf den Wasserhaushalt, auf unsere Wälder - und damit sowohl auf unsere Trinkwasserversorgung wie auf die fatalen Folgen von Starkregen. Um 25 Prozent ging in Rheinland-Pfalz die Grundwasser-Neubildung in den vergangenen Jahren zurück. Im Pfälzer Wald gar um fast 40 Prozent im Vergleich zu den Jahren 1961- 1990.
„Wasser ist nicht mehr im Überfluss vorhanden. Es ist eine bedrohliche Situation“, wie Staatssekretär Dr. Erwin Manz vom Umweltministerium in seinem Vortrag resümierte.

Prof. Gebhard Schüler von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft ging in seinem Vortrag zwar nicht explizit auf die Situation im Nationalpark und die existierenden wie geplanten Tiefbrunnen ein. Jedoch vertrocknet der Wald auch, weil sich nicht genügend Grundwasser neu bilden kann. „Der Kampf ums Wasser hat begonnen!“, so sein dramatischer Appell. Werden die tiefen Grundwasser-Leiter angebohrt, so merken wir den Wasserverlust in den oberen Regionen nicht sofort. „Es ist ein Zeit-Leck dazwischen, was durchaus 30, 40 oder gar hundert Jahre betragen kann, bis das obere Grundwasser davon betroffen ist. Und es ist ein Prozess, der nicht mehr umzukehren ist.“
Gerade seinen letzten Satz sollten wir also bedenken, wenn an Probebohrungen und neue wie bestehende Tiefbrunnen im Nationalpark gedacht wird. „Denn der Wald ist die zentrale Quelle für unser Trinkwasser. Und deswegen ist es unser aller Aufgabe, alles dafür zu tun, den Wasserabfluss aus dem Wald zu reduzieren,“ fordert Bernhard Frauenberger vom Landesforst Rheinland-Pfalz, denn, „die klimatischen Veränderungen finden nicht irgendwo in der Sahara statt, oder in irgendeiner fernab gelegenen Region. Die finden bei uns vor der Haustür statt. Die massiven Niederschlags-Defizite der letzten Jahre sind nicht ausgeglichen. Und diese klimatischen Veränderungen werden für die Menschen dann erlebbar, wenn man irgendwann den Hahn aufdreht, und es kommt kein Wasser mehr heraus.“, so die drastischen Worte des Forstamtleiters Soonwald.

Forschungsreferentin Dr. Andrea Kaus-Thiel vom Nationalpark Hunsrück-Hochwald folgte interessiert den Ausführungen der Experten. Ihrer Meinung nach, ist die Rechtslage zwar eindeutig zu den Brunnenbohrungen: Die Genehmigung ist juristisch nicht anfechtbar. Aber sie hätte sich gewünscht, dass der Politik erkennt - und danach handelt - dass sich die Trinkwassersituation in den letzten Jahren auch im Hunsrück dramatisch veränderte. Schließlich hätte vor einigen Jahren noch niemand erwartet, dass auch hier bei uns Trockenheit existieren könnte. Dabei fehlt Dr. Kaus-Thiel jegliches Verständnis, dass in der Kernzone des Nationalparks, wo menschlicher Einfluss strikt untersagt ist, und nicht einmal ein Steinchen entnommen werden darf, kommerzielle Bohrungen, und damit die Ausbeutung einer lebenswichtigen Ressource, erlaubt werden. Sie hofft, dass der Brunnenbetreiber Einsicht zeigt, und freiwillig die Grundwasserentnahme einstellt oder zumindest reduziert. Schließlich kann es nicht im Interesse eines Unternehmens, das sich gerne mit seiner Verantwortung für die Heimat und seinem ökologischen Bewußtsein schmückt, der Region das Wasser abzugraben. Um dann diese lebenswichtige, ja überlebenswichtige Ressource Nestle, einem internationalen Konzern, weiterzuverkaufen. Damit nicht aus dem Motto der Tagung „Graben wir uns das Wasser im Wald ab?“ eine traurige Realität wird, und sei es erst in einigen Jahrzehnten.

Diese Angst teilte auch Markus Lüttger, Bürgermeister von Rüdesheim, in seinem Vortrag: „Wir brauchen das Wasser! Und wir brauchen den Wald! Wir können diese beiden Lebensgaranten nicht voneinander getrennt betrachten.
Jahr für Jahr wird es für uns als Wasserversorger immer schwieriger, gutes, gesundes Trinkwasser, und das auch noch in ausreichender Menge für die Haushalte zur Verfügung zu stellen. Und die meisten unserer Vorräte liegen im Wald. Wir müssen sie finden. Und wenn wir sie gefunden haben, müssen wir sie schützen.“

Den Abschluss der Tagung bildete eine mehrstündige Exkursion durch den Soonwald, wo die Experten praktische Tipps und Empfehlungen für die anwesenden Forstmitarbeiter gaben, wie man mit einfachen baulichen Maßnahmen das Wasser am besten im Wald hält. Denn dies ist auch der beste Schutz vor den fatalen Folgen der immer häufiger auftretenden Starkregenereignisse. Hier holte sich auch Martin Döscher, Leiter des Forstrevier Idar-Oberstein, wertvolle Anregungen für seine Tätigkeit. Damit auch in den kommenden schweren, trockenen Zeiten der Satz von Bürgermeister Lüttger gilt: „Die Landesforsten machen für uns Kommunen einen Super-Job!“


Thomas Brodbeck
08. Mai 2022

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